Reanimation

Bau mit Botschaft

Lange verfiel das Gewerbegebäude in gehobener Wohnlage, das später als Botschaft genutzt wurde. Statt es abzureißen, entwarf und realisierte das Architektenpaar sich ein nachhaltiges, geschichtsträchtiges und zeitgemäßes Wohnhaus.

Der Begriff der „architecture parlante“, der „sprechenden Architektur“, beschreibt die Baukunst, die ihre eigene Funktion erklärt. Zugeschrieben wird er der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts, als vor allem in Frankreich Architekten wie Claude Nicolas Ledoux utopische, „sprechende“ Revolutionsarchitektur entwarfen, wie beispielsweise ein Haus aus konzentrischen Kreisen, das als Werkstatt zur Herstellung von Fassreifen dienen sollte. Der Entwurf wurde nie realisiert. Und auch heute noch fehlt ein technisches Hilfsmittel, das Gebäude tatsächlich zum Sprechen bringen könnte.

Anzahl Bewohner5 Personen
Wohnfläche294 m²
StandortBerlin (D)
Fertigstellung09/2017
PlanungsbüroSehw Architektur GmbH
Zum Profil
FotografiePhilipp Obkircher
Von den demografischen Fragen, gesellschaftlichen Themen und politischen Debatten unserer Zeit zum konkreten architektonischen Projekt.

Xaver Egger

Dabei hätte das Haus in Berlin-Zehlendorf einiges zu erzählen: Erbaut wurde es in den 70er-Jahren als Gewerbe- und Produktionsgebäude, mit Personalbereich im Untergeschoss, Maschinenhalle im Erd- und Büros im Obergeschoss. Ein Betonraster aus starken Unterzügen sorgte für Licht und Stützenfreiheit. Als es der Firma zu eng wurde, nutzte die Mongolei das Haus in gehobener Wohnlage als Botschaft. Der geplante Umbau jedoch fand nicht statt, Rohre platzten, Fenster wurden eingeworfen und vernagelt, das Haus verfiel, das Grundstück verwucherte. Natürlich hätte man die intakte Substanz abreißen können, um Platz zu schaffen für zwei dicht stehende historisierende Stadtvillen. Doch die Erzählung des Hauses geht weiter: Nach acht Monaten verwandelte es sich in ein komfortables, charmantes Wohngebäude, in das die Architekten Xaver Egger und Sandra Scheffl nach der Umplanung durch das Büro sehw, das Xaver Egger gemeinsam mit Hendrik Rieger führt, einzogen. Dafür wurde der Bestand bis auf den Kern zurückgebaut, der grobe Beton und die Oberlichtkuppeln blieben erhalten, ebenso die Werksteintreppe und – mit einem Augenzwinkern, so die Architekten – auch die Fahnenmasten im Vorgarten. Wo früher der Personalbereich war, liegt heute eine separate Wohnung, die sich auf einen terrassierten Außenraum öffnet. Im Erdgeschoss zoniert ein Patio, ein Deckenfeld wurde zugunsten eines Luftraums entfernt. Die Unterzüge erinnern an die alte Maschinenhalle. Der Schlafraum der Eltern und das Bad liegen im Obergeschoss, eine Schiebetür trennt oder verbindet, je nach Bedarf. Der Arbeitsraum auf der Galerie erweitert sich auf die Dachfläche. Um den geltenden Vorschriften zu entsprechen, erhielt das Gebäude eine mineralische Wärmedämmung, umhüllt wird es von einer vorgehängten, hinterlüfteten Holzfassade aus sägerauen, schwarz lasierten Brettern, in die die Fenster mal außen- mal innenbündig eingepasst wurden.

Impressionen