RH50 Reallabor

Experiment Haus

Ein Leben im Reallabor

Für die Erprobung und Erforschung innovativer gebäudetechnologischer Entwicklungen sind Bauprojekte für externe Bauherren meist ungeeignet: Gewährleistungen, Haftungsfragen und langwierige Bauteilzulassungen lassen sich nur schwer vermitteln. Dirk Henning Braun, promovierter Architekt und Professor für Gebäudetechnologie an der RWTH Aachen, beschloss daher, sein „Reallabor“ selbst zu bauen, an seine sechsköpfige Familie zu vermieten und somit – quasi am eigenen Leib – zu erforschen. Schnell war klar, dass die erforderliche maximale Flexibilität und Nachrüstbarkeit nur von einem filigranen Stahlskelettbau geleistet werden konnte. Dieser sollte zu fast 100 % verglast sein, um Testreihen für Sonnenschutz zu ermöglichen. Außenliegende Stege sorgen dabei für eine Zone zwischen der thermischen Hülle und dem Gebäudeabschluss sowie für die Zugänglichkeit der Verglasung. Umspannt werden sollte das Haus von einer schwarzen, textilen Haut.

Anzahl Bewohner6 Personen
Wohnfläche300 m²
StandortAachen (D)
Fertigstellung2017
PlanungsbüroBRAUNARCHITEKTUR
Zum Profil
FotografieDaniel Hartz
Ich arbeite als Architekt und Professor an Projekten in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Praxis für institutionelle und private Auftraggeber.

Dirk Henning Braun

Drei Geschosse hoch konnte gebaut werden, zwei Geschosse zur Einfahrt im Osten, drei Ge- schosse nach Westen. Das Untergeschoss erhielt große Tore, um technische Elemente ein- und ausbringen zu können. Die Haustechnik sollte offen sichtbar sein, um Messungen und Testläufe durchführen zu können. Und selbst im Garten wird experimentiert: Das Außenbecken ist nicht nur Pool, sondern auch thermischer Speicher und ermöglicht die Erprobung von Zisternen, Bewässerungsanlagen und Versickerungstechniken. All diesen Ansprüchen konnte der Vorgängerbau aus den 50er-Jahren naturgemäß nicht entsprechen, er wurde abgerissen. Das Reallabor der Firma und Familie Braun wurde dann zentral auf dem Grundstück platziert, damit sich für die unterschiedlichen Testreihen keine strukturellen Einschränkungen ergeben. Nicht mehr als staunenswerte 24 Tonnen wiegt der Stahlbau, er wurde biegemomentfrei entworfen. Die Aussteifungen der Wände und Deckenfelder erfolgen über horizontale, unsichtbare Auskreuzungen in den Deckenfeldern und vertikale sichtbare Verbände in drei von zehn Achsen, jeweils einmal pro Geschoss. Dieses sehr weiche System wird erst durch das Spannen der Zugglieder zu einem leistungsfähigen Gesamttragwerk – ähnlich einer Violine, die gestimmt werden will. Der Stahlbau wurde von den Architekten nach Angaben des Tragwerksplaners bis zur letzten Schraube 3D BIM modelliert und ohne klassische Werkplanung auf Papier direkt an die Fertigung des Stahlwerkes geschickt. In zwölf Tagen war er auf der Baustelle errichtet. Weniger als zwei Tage brauchte der Zimmermann, um die Brettschichtträger für die etwa 450 Quadratmeter Decken zu montieren: Sämtliche Winkelschuhe und Bohrlöcher waren bereits werkseitig im Stahlbau montiert und gebohrt. Insgesamt dauerte der Bau elf Monate, seit Anfang 2017 lebt die Familie im Testbetrieb.

Impressionen